#10 Lyngen – Alta – Nordkap – Kirkenes



71°10'21" ... Nordkap!



Lyngenalpen – Alta – Nordkap – Kirkenes (1.079 km)
11.–14.8.2017




Die letzte Nacht in Tromsø ist wie in einer Autowaschanlage, so sehr schüttet es. Zum Glück ist der Spuk gegen Morgen vorbei, so dass wir in Ruhe alles startklar machen können.


Die Fahrt führt entlang der Lyngenalpen, auf die ich zumindest mal einen Blick werfen möchte. Die Gegend ist bekannt für Skitouren im Winter, teilweise kann fast bis ans Wasser abgefahren werden.

Von der ersten kurzen Fähre nach Svensby rüber hat es schon die ersten schönen Aussichten. Dann gibt es ein kleines Autorennen, denn es ist klar, dass jeder die nächste Fähre von Lyngseidet nach Olderdalen erwischen will. Für die rund 20 km bleiben eine halbe Stunde – auf den Straßen hier geht sich das gerade so aus.



Unterwegs reißt der Himmel immer mehr auf.

















Blick über den Lyngenfjord ...







Aussichten unterwegs ...





Heute laufen uns auch die ersten Rentiere über den Weg. Einfach so auf der Hauptstraße ...



Bei Alta bleiben wir über Nacht. In Alta steht die Nordlichtkathedrale. Sie ist ganz aus Beton gebaut und mit Titanplatten verkleidet.



Von Alta aus geht die Fahrt früh am Morgen weiter. Ziel: Nordkap. Die Wettervorhersage ist gut, also los! Die Landschaft ändert sich zusehends, wir erreichen die Finnmark.





Auf der Fahrt durch viele Kilometer lang menschenleeres Gebiet queren immer wieder Rentiere die Straße. Die Truppe hier präsentiert sich als richtige Straßenblockade! Erst als wir ihnen versprechen, keine Rentierfelle zu kaufen, machen sie den Weg wieder frei.



Dann verlassen wir die E6 Richtung Norden, noch knapp 130 km. Durch den fast 7 km langen und 212 m tiefen Nordkapptunnelen erreichen wir die Insel Magerøya. Denn das Nordkap liegt auf einer Insel, ist also nicht der nördlichste Festlandspunkt, sondern „nur“ der mit einem Auto erreichbare nördlichste Punkt in Europa.



Für die meisten Skandinavien-Reisenden nichtsdestotrotz sowas wie das i-Tüpfelchen ihres Trips. Trotz des guten Wetters ist es gar nicht so voll wie wir dachten. Wir entscheiden uns, das 24h-Ticket zu nehmen und auf dem Parkplatz zu übernachten. Klar, wir sind nicht die Einzigen. Aber es ist genug Platz.



Das obligatorische Foto an der Weltkugel muss natürlich sein ...











Im Nordkap-Haus gibt es viel Informatives zu sehen. Am besten gefällt uns der Film, der die Jahreszeiten hier am Kap in wunderschönen Bildern zeigt. Das macht fast Lust auf den Winter.















Nunja, Wettervorhersagen treffen ja nicht immer 100%ig zu. Vor allem nicht in Norwegen. Am Nachmittag kommen dichte Wolken auf, es wird fast neblig. Wir schaffen es von unserem weiteren Rundgang gerade noch trocken in den Bus. Der Wind wird stärker und entwickelt sich bald zu einem ausgewachsenen Sturm. Das Prasseln des Regens ist heftig, der Bus wackelt nicht schlecht.

























Hier hat's noch vier Trolle ...





Das Bild von uns macht eine ältere Amerikanerin, wir kommen mit ihr und ihrem Mann ins Gespräch. Seit 62 Jahren leben sie in den USA. Sie lieben Skandinavien und haben es schon öfter besucht. Und sie wollen unbedingt wissen, was wir von ihrem Präsidenten halten. Unsere Antwort ist ehrlich, direkt und nicht wirklich positiv. Sie stimmen uns vollends zu. Auch sie sind nicht glücklich, ja schon besorgt ob der derzeitigen politischen Lage in den USA.

Sonnenuntergang ist um 22:03 Uhr – und tatsächlich erscheint ein schmaler roter Streifen am Horizont, der die grelle, helle Sonnenkugel durchblitzen lässt. Da ist für ein paar Minuten nochmal richtig viel los rund um die Weltkugel.







Stürmisch geht es in die Nacht, aber als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es mucksmäuschenstill. Kein Lüftchen mehr. Wir stehen rasch auf und genießen die Ruhe nochmal richtig. Die Bilder zeigen, dass man das Nordkap auch für sich alleine haben kann. Das ist ein richtig schöner Moment, in dem uns nochmal bewusst wird, an welchem Ort wir gerade sind.





Das Bild mache ich mit Selbstauslöser, so alleine sind wir ...





Kurz drauf kommt ein Radreisender mit seinem schwer bepackten Drahtesel. Ich biete ihm an, ein Foto von ihm und seinem Rad vor der menschenleeren Weltkugel zu machen. Aus Holland ist er – ich sage ihm noch, dass ich allergrößten Respekt davor habe, hier mit dem Rad herzufahren. Denn nicht nur die letzten 130 km auf der Halbinsel sind bei Wind, wechselhaftem Wetter, durch die Tunnel und mit dem steten bergauf und bergab eine extreme mentale und körperliche Herausforderung.

Dass es auch andere gibt, bekommt B. am Morgen mit: ein Radtourist, der sich
samt Fahrrad mit dem Taxi hat bringen lassen! Und sie ist zufällig in Nähe, als er eine halbe Stunde später wieder mit dem Taxi zurück ist. Er hat noch den Taxifahrer gefragt, ob das hier immer so kalt ist? … Nee, das sei nix für ihn, hat er gemeint. Ich glaube, irgendwas hat dieser Mensch nicht ganz richtig verstanden.







Die Wettervorhersage für die kommenden Tage ist nicht wirklich gut. Wir hätten gerne noch einen Abstecher Richtung Gamvik, Mehamn und zum Leuchtturm Settness, dem nördlichsten Leuchtturm auf dem europäischen Festland, gemacht. Aber Regen und Sturm ließen uns von den rund 220 km zusätzlich absehen.

So fahren wir entlang der Küste über die 98 nach Kirkenes. Es regnet nahezu ununterbrochen. Regen in all seinen Facetten: Nieselregen, Sprühregen, Starkregen, Landregen, mal senkrecht, mal schon waagerecht …



Kirkenes ist unsere letzte Station in Norwegen, irgendwie ging das jetzt alles ganz schnell. Zur Würdigung des Tages macht B. eine Flasche Wein auf, die wir an unserem ersten Tag in Norwegen, in Olso war’s, geschenkt bekommen haben. Zum Dank, als wir zwei anderen Campern ein wenig aus der Patsche geholfen haben.



Montagmorgen scheint in Kirkenes doch wieder die Sonne. Wir statten der norwegisch-russischen Grenze kurz hinter Kirkenes einen Besuch ab. Für uns der östlichste Punkt unserer Reise.





Danach noch ein kurzer Halt am Hafen. Hier haben die Hurtigruten ihre Endstation. Am Kai liegt die Vesterålen und wird gerade beladen. Es besteht die Möglichkeit, sogar Autos bis etwa zur Größe eines VW Busses zu verladen. Wir kommen kurz ins Grübeln … allerdings mit Hund sowieso keine Option. Außerdem ist es ratsam, langfristig vorzubuchen.









„Baby, it’s NOT cold outside!“



Zeit für ein kleines Resümee: Norwegen hat uns ziemlich gut gefallen. Die Landschaft ist fantastisch. Imposante Berge, welche die tiefen Fjorde umranden. Dann die weiten Fjelle, die wir durchfahren haben. Oder der viele Schnee, der auch jetzt im Sommer noch auf den Bergen liegt. Wir hätten uns tatsächlich noch mehr Zeit gewünscht. Es sind einfach gerade im Westen nicht viele Kilometer am Tag zu machen, sofern die gewählten Straßen nicht immer den Hauptrouten folgen. Auch haben wir so einige Orte gar nicht erst besuchen können wie Lillehammer oder Geilo, weil sie einfach zu weit abseits unserer Route lagen. Wie hat uns jemand gesagt: Manche bleiben vier Monate in Norwegen – und sehen nicht alles. Darum werden wir wohl nochmal wiederkommen müssen.

Klar, Norwegen ist auch kein günstiges Reiseland. Da sollte einem klar sein, wenn man hierher fährt. Und es sind viele, die hierher fahren! Aus ganz Europa, ja aus aller Welt. Wir haben sogar Wohnmobile mit chinesischen Kennzeichen gesehen! Auf einer Zeitung war die Überschrift zu lesen, dass ein Anstieg von 71 % allein an chinesischen Touristen diesen Sommer zu verzeichnen ist. An den Hotpots wird quasi überall gezeltet oder mit dem Wohnmobil gestanden. Viele Schilder mit „No camping“ sind zu sehen, um das Wildcampen etwas in Grenzen zu halten. Aber manchmal bleibt einem gar nichts anderes übrig, weil die Campingplätze schon voll sind. Ja sogar die Mülltonnen müssen schon mit „Privat“ gekennzeichnet werden, damit nicht jeder seinen Müll reinwirft. Darum, wie schon geschrieben: In der Nebensaison wollen wir gerne nochmal herkommen.

Gefallen hat uns hier auch das sichere Reisen. Nie kam das Gefühl von Unsicherheit auf. Gerade gestern in der Nordkaphalle hatte ich ein kleines Erlebnis: In der Toilette hing eine Kamera am Haken, hatte halt jemand vergessen. Habe sie direkt zum Info-Schalter gebracht, wo im selben Moment der Besitzer nach dem Fund gefragt hat. Ich konnte sie ihm direkt in die Hand drücken. Die Dame von der Info meinte noch (in fließendem Deutsch), dass hier alles abgegeben würde. Die Leute hier seien einfach ehrlich.

Zum Wetter können wir sagen, dass wir bislang ein Riesenglück hatten. Die ersten vier Wochen haben wir jeden Tag kurze Hosen getragen. Erst ab den Lofoten hat sich das geändert. Danach hatten wir auch die ersten beiden verregneten Tage, zum Glück nicht hintereinander. Beide Tage haben wir dann kurzerhand mit Fahren verbracht. Meiner Meinung nach, das Beste, was man an solchen Tagen machen kann – Kilometer schrubben. Man hat es warm und trocken im Auto – und hat was zu tun. Wir sind gestern erst gefragt worden, wie das mit dem Wetter war. Die Dame war erstaunt, denn alle würden erzählen, dass sie sehr viel Regen hatten.

Nun denn, Norwegen ist für uns auf dieser Reise Geschichte. Und nachdem es mit der Hurtigruten-Fahrt nichts wird, machen wir uns dann doch auf dem Landweg quer durch Finnland. Finnland ist in erster Linie Transitland für uns. Wenn wir in wenigen Tagen hoffentlich problemlos durch sind, melden wir uns wieder.




Gesamtfahrstrecke bisher 6.613 Kilometer.